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Sibirien-Blog Teil 1: Anreise

Von Köln nach Sibirien.

Ulf lebt in der Nähe des Dorfes  Cheremchanka. Die Stadt Abakan ist 200 Kilometer entfernt. Bis zum Baikal sind es noch rund 1000 Kilometer. Bis Moskau rund 4000 Kilometer.

Leider ist Ulfs Webseite kürzlich gehackt worden, dort stehen demnächst wieder alle Infos über ihn: www.sibirienwolf.de

Da man momentan nicht nach Russland fliegen kann ist meine Anreise: Von Köln nach Warschau mit dem Zug, von dort mit dem Bus nach Kaliningrad und von dort per Flieger nach Abakan.

Abfahrt in Berlin. Polen ist zwar noch EU, aber ich war da noch nie. Und es klingt ja schon sehr nach Osten. Exotisch. Bin gespannt, wie alles wird.

Hatte mal wieder Glück: Als ich vor zwei Wochen das Ticket gebucht habe, war die 2. Klasse schon ausgebucht. Also 1. Klasse – und das war sehr angenehm. Schöne Sitze, wenig Leute. Ab und zu kommt der Snack-Service, serviert Kaffee, Saft, Wasser und Süßigkeiten – kostenlos; ist wohl in Polen in der 1. Klasse inklusive.

In Warschau ist mein Hotel nur fünf Geh-Minuten vom Bahnhof entfernt; der Check in ist sehr angenehmen, das Zimmer perfekt.

Nach der langen Banhfahrt brauche ich unbedingt Bewegung; gehe schon mal die drei Kilometer zum Busbahnhof, von dem ich morgen früh den Bus nach Kaliningrad nehmen will.

Die Fahrt nach Kaliningrad habe ich zwar im Fahrplan am Busbahnhof nicht gefunden, aber trotzdem bin ich beruhigt und gehe zurück ins Hotel. Abfahrtsort und -zeit stehen auf dem vor drei Wochen online gekauften Ticket – das wird schon alles in Ordnung sein.

So habe ich eine ruhige Nacht. Um sechs Uhr stehe ich auf, frühstücke (Riesen-Buffett!) aufgestanden und sieben Uhr fahre ich mit dem Stadtbus die drei Kilometer zum Busbahnhof. Und um halb acht kommt der Bus nach Kaliningrad.

Ticket und Pass zeigen, dann kann ich einsteigen. Na ja, der ganz große Reise-Luxus ist das nicht; die Sitze recht eng beieinander und kaum verstellbar, und der Bus ist sicher auch schon gute 20 Jahre alt. Aber: keine Beschallung durch Musik oder Videos. Und es gibt ein Klo. (Aber nach der ersten Benutzung habe ich mir für die weitere Fahrt ein Trinkverbot verordnet; in der Hoffnung, dass ich dieses Klo nicht noch einmal benutzen muss. Was auch geklappt hat!)

Die Grenze Polen – Russland kommt in Sicht. Sorgen mache ich mir nicht, ich habe ein Visum und einen negativen PCR-Test. Die erste Station ist die Ausreise aus Polen. Na ja, das kann ja nicht so lange dauern. Doch – kann es: zwei Stunden. Zwei Grenzerinnen kommen in den Bus und sammeln alle Pässe ein. Wir warten. Dann werden einzelne Reisende nacheinander draußen ins Grenzbüro zitiert – Ukrainerinnen, wie mir ein Mitreisender erklärt.

Nach und nach bekomme ich heraus, dass die polnischen Grenzer schon checken, ob alle Bus-Passagiere problemlos nach Russland einreisen können. Das finde ich verständlich, allerdings tickt meine innere Uhr: In einer Stunde wird mein PCR-Test ungültig, weil er dann älter ist als die von Russland geforderten 48 Stunden.

Schließlich sind wir an der polnischen Grenze mit allem durch und rollen langsam auf die russische zu. 15 Minuten bevor die 48 Stunden um sind, kommen die russischen Grenzer in den Bus, und checken Pässe und PCR-Bescheinigungen. Noch mal Glück gehabt.

Wir müssen aussteigen und mit Gepäck ins Grenzer-Gebäude. Ein Drogenhund schnüffelt, jedes Gepäckstück durchläuft den Scanner. Kommt den Grenzern das Monitor-Bild vom Inhalt des Gepäckstücks verdächtig vor, muss ausgepackt werden. Bei mir ist es die Videokamera, die sie wohl nicht als solche identifizieren können. Ich mache den Rucksack auf, hole die Videokamera raus und erkläre auf Deutsch, mit großen Gesten, dass ich nach Sibirien will und meine sicherlich tollen Eindrücke von diesem Land auf Video festhalten will. Das leuchtet den Grenzern ein, sie sind zufrieden – ich darf einreisen.

Nach 400 Kilometern, sieben Stunden Fahrt und vier Stunden Warten an den Grenzen: Ankunft in Kaliningrad. Und für einige Reisende ist es nach langer Zeit ein lang erhofftes Wiedersehen mit Freunden und/oder Familie: Diese junge Kasachin ist vor fünf Jahren nach Deutschland gezogen und sieht jetzt zum ersten Mal ihren Vater wieder.

Drei Tage Anreise – um dann erst am eigentlichen Anfang der Reise zu sein: Flughafen Kaliningrad, 20 Uhr abends. Um drei Uhr am nächsten Morgen geht mein Flug nach Moskau. Und von dort weiter nach Abakan.

Also noch Zeit, um ein bisschen zu schlafen. (Trotz der laufenden Klimaanlage habe ich die kurzen Hosen angelassen; die Hitze der letzten Tage hat wohl noch nachgeheizt.)

Nach dem Einchecken bummel ich noch durch die Flughafen-Shops. Im Andenkenladen bin ich überrascht, dass es Souvenirs zu den Orten mit den alten deutschen Bezeichnungen gibt: Königsberg, Allenstein, Masuren und andere Städte. Aber offensichtlich lässt sich mit den Alte-Zeiten-Sehnsuchts-Touristen Geld verdienen.

Nach zwei Stunden landen wir in Moskau, dort ein schneller Umstieg in das Flugzeug nach Abakan. Nach dem Start schaffe ich gerade noch, Moskau von oben zu fotografieren, dann mache ich es mir auf der Dreier-Sitzbank, die ich für mich allein habe, bequem. Und verschlafe fast die ganzen fünf Stunden Flugzeit bis Abakan.

Abakan. Sibirien. Wir sind das einzige Flugzeug auf dem Rollfeld. Für ein zweites ist auch kaum Platz. Drinnen: EIN Gepäckband. So mag ich es: klein, entspannt, angenehm.

Ja, klar, man sieht, dass es nicht Deutschland ist. Aber nach Sibirien sieht es auch nicht aus. Nee – natürlich nicht. Städte sind überall gleich auf der Welt. Weil es Städte sind. Ja, mal hier ein bisschen höher und moderner und da ein bisschen historisch und älter. Aber immer viele Autos, viele Menschen. Und das ist in Sibirien nicht anders.

Und um gleich noch ein Klischee aus der Welt zu räumen: Auch in Abakan, Sibirien – gibt es alles zu kaufen. In Supermärkten, Einkaufszentren, Bau- und Elektro-Märkten. Alles. Wie bei uns. Und auch die Preise sind die gleichen. Globale Welt eben.

Die Häuser im Stadtkern könnten mal etwas Putz und Farbe vertragen; die hohen und neuen Wohnhäuser am Stadtrand erinnern ein bisschen an DDR-Zeiten. Und natürlich sind (seit dem „Sondereinsatz“ in der Ukraine: waren) auch die üblichen (amerikanischen) Fastfood-Läden da.

In Abakan holt mich mein Gastgeber Ulf Siebach mit dem Auto ab. Er ist vor knapp zehn Jahren ausgewandert und bietet mitten in der Taiga kleine Gästehütten an. Bei ihm werde ich zehn Tage wohnen. Von Abakan bis zu ihm sind es 200 Kilometer – und nur gut die Hälfte der Straße ist asphaltiert.

Gute 100 Kilometer haben wir geschafft; Tankstopp in Kuragino, der letzten größeren Stadt vor unserem Ziel. Und Versorgungszentrum für alles, was jetzt noch an Orten kommt. Denn ab hier ist die Straße eine rund 100 Kilometer lange Sackgasse (und Schotterpiste). Und jetzt kommt auch langsam das Sibirien-Gefühl auf…

Schotterpiste. Die ersten Kilometer fühlen sich noch nach Freiheit und Abenteuer an. Dann wird es schon ein bisschen anstrengend. Und eine Tortur fürs Auto. Ulf Siebach. „Ich freu mich auf den Winter, dann ist Straße von einer festen Eisdecke überzogen. Und gegen die Glätte helfen Spikes-Reifen.“

Entschädigung für die Rüttelei auf der Schotterpiste: Pause am Kasir. Wasser ist in Sibirien überall: Bäche, Flüsse, Seen. (Und während der Schneeschmelze: Hochwasser…)

Endlich: Hier ist Sibirien. Cheremchenka. Auf Deutsch: „Der Ort wo der Bärlauch wächst“. Rund 1000 Einwohner. Zwei Einkaufsläden, eine Tankstelle, ein Kulturhaus. Und von wegen „Hier ist das Ende der Welt“: Seit kurzer Zeit gibt es ein veganes-Restaurant!…

Und natürlich die typischen Sibirien-Häuser. Die Holzbretter sind nur die Fassade, dahinter sind es echte Blockhäuser. Und hinter jedem Haus ein großer Garten. Fürs Gemüse. Denn Selbstversorgung ist in den Dörfern Sibiriens noch immer üblich.

(Ich warte noch auf Sonne, damit ich mal ein schönes und wirklich buntes Foto von den Häusern machen kann.)

Da unten irgendwo stehen die Gästehäuser. Im Sommer sind es hier gute 30 Grad, im Winter auch – aber minus. Dazu reichlich Schnee. Von Cheremchanka bis zu den Gästehütten sind es acht Kilometer.

Ulf Siebach: „Mit dem Geländewagen brauche ich für die Strecke, je nach Wetter, eine halbe Stunde. Im Winter, mit dem Schneemobil liegt mein Rekord bei acht Minuten. Während der Schneeschmelze, der „weglosen Zeit“ geht es nur zu Fuß, da brauche ich also ungefähr eineinhalb Stunden.“

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