Das stand seit Jahren auf meiner Reise-Wunschliste: Zum Motorradrennen auf die Isle of Man. Jetzt hat es endlich geklappt. Hier meine Eindrücke. Nicht vollständig, kein Lexikon und geschrieben auch für Menschen, die eher weniger mit Motorrädern zu tun haben.
Ich bleibe auch nur eine Woche hier. Momentan laufen nur die Qualifiaktionen. Es ist noch nicht so voll, man kommt ins Fahrerlager, alle sind noch entspannt. Das wird nächste Woche anders sein, bei den „echten“ Rennen, dann werden, nach Schätzungen, 40.000 Zuschauer auf der Insel sein. Und bei den echten Rennen, geht es um Punkte und Platzierungen, Gewinnen und Geld.
Die Isle of Man; 30 mal 15 Kilometer, zwischen England und Irland. Und seit 100 Jahren einmal im Jahr Schauplatz der Tourist Trophy, kurz TT. Immer Ende Mai, Anfang Juni, zwei Wochen. Das Besondere: Gefahren wird nicht auf einem Extra-Rennkurs, sondern auf normalen Straßen. 60 Kilometer, die zwischen 17 und 21 Uhr für die Rennen für den normalen Verkehr abgesperrt werden. Quelle der Grafik: welt-atlas.de
Anreise
Liverpool, Fähranleger. Aha, ich bin offenbar nicht der einzige, der mal zur Isle of Man will. Habe ich auch nicht wirklch erwartet. Aber dass ich gleich zwei Biker aus meinem Nachbar-Ort treffe…
Alle Bikes drinnen und gut verzurrt – dann kann es ja losgehen. Meines übrigens habe ich zu Hause gelassen. 1000 Kilometer Anreise Richtung Norden – das ist mir zu kalt und sicher auch zu nass. Und die Foto-Ausrüstung passt auch besser ins Auto. In dem ich meistens auch übernachte.
Ankommen. Erste Eindrücke.
Douglas, die Hauptstadt der Isle of Man. Hier sind auch Start/Ziel des Rennens und natürlich auch das Fahrerlager.
Pracht-Fassaden an der Promenade von Douglas. Meistens Hotels, früher waren es die klassischen Bread and Breakfast-Häuser.
„Die Bee Gees kommen aus Australien.“ Nach 50 Jahren bin ich nun schlauer: Sie sind hier geboren – auf der Isle of Man.
Auftakt der TT sind, einen Tag vor dem offiziellen Beginn der TT, die Pre-Races in Castletown, 20 Kilometer südlich von Douglas.
Für mich ein Highlight – das sind die Bikes, wie ich sie kenne und liebe. Oldtimer, meistens aus den 70er und 80er Jahren. Blech, Stahl, Chrom – bastelbar. Eben echte Motorräder. Die heutigen Plastik-Elektronik-Fahrmodi-Protze sind nicht so mein Fall.
(Norton) Manx. „Manx“ ist die ursprüngliche Sprache der Kelten; der Begriff bezeichnet auch die heimische Kultur der Insel. Dementsprechen war die Norton Manx eine Huldigung an die Insel. Und zudem ein Modell, das in den 60ern reichlich Siege bei der TT geholt hat.
So einfach, so gut kann ein Motorrad sein und aussehen. Ducati 200. So eine (natürlich keine solche Rennversion) hatte mein Bruder - ich habe sie mir als 17-Jähriger (und damit natürlich noch ohne Führerschein) ab und zu heimlich "ausgeliehen"...
Zwei Hondas. Die hintere hat den unverwechselbaren Motor der 750 Four. Die vordere? Ich habe beim Fotografieren nicht genau hingeguckt; jetzt, beim Hingucken, kriege ich es nicht mehr raus.
Der Sohn vom Dorf-Schlachter ist auch gleich rennfertig. Geht schnell – ist ja kein Oldie.
Abfahrt Bikes Pre Race zum Startplatz.
Auf der Rückfahrt nach Douglas komme ich am Flughafen vorbei: Diese Flugzeug-Kennung ist wohl Zufall. Oder nicht – Mr. Musk? Vielleicht ist er (heimlicher) Motorrad-Fan?
Quarterbridge
Der erste Qualifikations-Lauf. Nach zwei Jahren Corona-Pause sind die Zuschauer ebenso „heiß“, wie die Fahrer. Endlich wieder TT. Ich stehe an der „Quarterbridge“, eine 90 Grad-Kurve.
Für den Anfang ein schon ganz gutes Foto. Die Aufgabe: Bei bewegten Objekten soll das Objekt scharf sein – aber der Hintergrund verschwommen. Dadurch entsteht der Eindruck von Geschwindigkeit. Der Fotograf muss die Kamera bewegen, synchron zur Geschwindigkeit des Objektes. Hat hier geklappt – auf den rund 100 anderen Fotos, die ich an diesem Standpunkt gemacht habe, nicht.
Akrobatik auf drei Rädern. In RECHTSkurven klettert der „Schmiermaxe“ (der Beifahrer) auf den Fahrer, um durch sein Gewicht auf der rechten Seite eine höhere Geschwindigkeit zu ermöglichen. In LINKSkurven hängt er sich ganz weit raus nach links, damit der Beiwagen nicht abhebt. Und das auch bei Tempo 120 (in langen Kurven).
Als die Rennen vorbei sind, treffe ich ihn. Und seine BMW R 60 mit Beiwagen aus dem Jahr 1961. Der Fahrer hat sie 1980 gekauft. Zusammen sind sie 42 Mal auf der TT gewesen. Er hofft, dass er auch nächstes Jahr wieder dabei ist. Dann ist er 97 Jahre alt…
(Technik-Anmerkung: Dieses Motorrad hat(te) keinen elektrischen Anlasser. Nur, ganz klassisch, einen Kickstarter.)
(Lebens-Anmerkung: Egal was mir im Leben noch passiert: Wenn ich mit 96 Jahren noch (m?)ein Motorrad antreten kann – dann kann mein Leben nicht besser (gewesen) sein.
(Journalitische Anmerkung: Klar hätte ich den Herren gern nach seinem Namen gefragt. Journalistische Neugier und Gewohnheit. Aber er hat so viel Würde und Stil ausgestrahlt – da kam das gar nicht in Frage für mich. Ich bin ja schließlich nur privat hier.)
Sonntag Abend: Einmal Rundkurs
Klar will ich einmal den gesamten Kurs abfahren. 60 Kilometer. Gleich hinter Douglas ein kleiner Feldweg, von dem aus ich einen schönen überblick habe über die grüne, leicht hügelige Landschaft.
Von Douglas geht der Kurs zunächst Richtung Westen, kurz vor dem Küstenort Peel dann nach Norden. Straßen, die für meinen Eindruck (ging mir schon bei der Anreise durch England so) eng sind. Hier mit 300 Sachen durchheizen? Für mich unvorstellbar.
Richtungsänderungen werden den Fahrern auf Schildern angezeigt. Aber ich denke, wer noch nachdenken und gucken muss, wo es lang geht, hat wohl keine großen Chancen, schnell genug zu sein.
Trauriger Nachtrag: Gestern Abend, Mittwoch, 1. Juni, ist hier in Ballagarey einer der Rennfahrer tödlich verunglückt.
Wände aus Schaumstoff und gepresste Strohballen. Die hoffentlich nie nötig sein werden…
Auf der Hälfte der Rennstrecke, oben im Norden, Ramsey. Eine kleine Hafenstadt; auch sie leuchtet jetzt in der Abendsonne, satte, frische Farben. Von hier geht die Rennstrecke zurück Richtung Douglas. Über das Fjäll. Und das ist eine wirkliche Rennstrecke.
Auffahrt zum Fjäll. Und Einbahnstraße – die nächsten 15 Kilometer. Und das nicht nur während der Rennen, sondern auch für den normalen Verkehr. Ohne Tempolimit. Also: Vollgas für alle. Und Autos dürfen auch…
Der hat schon ganz schön Speed drauf.
Die beiden sind (noch) vorsichtig. Tempo 200 auf dem Motorrad ist eben doch nicht mal eben so gefahren.
Im Auto ist das anders, da musst du „nur“ ordentlich aufs Gas drücken. Luftzug und Motorlärm beim Vorbeifahren lassen das Tempo bei weit über 200 vermuten.
Und wenn kein Bike oder Auto vorbeidröhnt: Ruhe in einer wunderschönen Landschaft.
Tagsüber
In dieser Woche („nur“ Qualifikationen) hat man noch reichlich Platz. Auf den Straßen, in den Städten und auch auf den Campingplätzen. Auf den beiden Plätzen, auf denen ich war, konnte ich spontan buchen. Einen Stellplatz in der Renn-Woche, so die Insider, sollte man vorher buchen.
Die Rennen beginnen immer um 18 Uhr – eine Menge Zeit tagsüber. Die verbringen viele Biker in Douglas; hier gibt es das größte Angebot: bummeln, essen, shoppen.
Dieser Laden brummt, jeden Tag stehen hier Dutzende von Bikes.
T-Shirts, Sweater, Tassen, Taschen – alles mit TT-Logo,
Renn-Fotos und
Isle-of-Man Schriftzug.
Tolle Dekorations-Idee. In den zwei Rennwochen dreht sich auf der Isle of Man eben alles um Motorräder.
Douglas, Zentrum des Rennens: Start/Ziel, Fahrerlager, Boxengasse.
Startplatz. Im Hintergrund die Tribüne („TT Grandstand“). Zur gedanklichen Orientierung, aber auf dem Foto nicht zu sehen: Links die Boxengasse, dahinter das Fahrerlager. Rechts der Kurs, Tower der Rennleitung.
Für Experten, hier die Rennklassen:
Superbikes: 1000ccm Rennmotorräder
Supersport 600 ccm 3-Zylinder
Superstock 1000ccm Serienmotorräder, nur wenig modifizert
Supertwin 750 ccm Zweizylinder
Seitenwagen (Sidecar)
Fahrerlager
Vom leidenschaftlichen Bastler (aber in jedem Fall mit Geld/Sponsor) bis zu professionellen Rennteams sind alle da. Und in jeder Box darf ich fotografieren, (dumme) Fragen stellen, plaudern. Das ist schon sehr besonders bei der TT.
Und wenn der Kontakt mit den Zuschauern mal nicht passt – dann macht das Team das deutlich. Mich wundert es schon, dass wir Normalos hier überhaupt ins Fahrerlager dürfen.
Die Zusammenfassung meiner vielen Fragen: In so einem (Super)Bike stecken rund 50.000 Euro und, ganz ungefähr, sechs Monate Arbeitszeit. Am Ende sind es dann gute 200 PS, 170 Kilo leicht und so fein abgestimmt, dass es bis für Tempo 300 reicht.
Das Rekord-Plakat von Peter Hickmann: 60 Kilometer Landstraße in 16 Minuten; 217 km/h Durchschnittgeschwindikeit - das klingt unglaublich. Jetzt, nachdem ich die Strecke kenne – ist es das noch viel mehr. Hickmann hat diesen Rekord 2017 aufgestellt.
Da könnte ich stundenlang zugucken. Alles geordnet, funktional, sauber, professionell, sicher. Für jedes Problem gibt es eine Lösung. Also anders, als im normalen Leben.
Wer es nicht erkennt: Das ist ein „Motorrad mit Beiwagen“. So heißt im Normalzustand. In der Rennversion verschmelzen Motorrad und Beiwagen komplett, eine Einheit. Ein Sidecar.
Startplatz, Boxengasse
Vor dem Start ist hier Riesen-Gewusel. Die Bikes rausschieben, checken, tanken, warm laufen lassen, Reifenwärmer drauf.
Auf der Insel, in England und in der Rennsport-Szene sind die Fahrer natürlich Helden und sind dementsprechend begehrte Interview-Partner
Volltanken. Randvoll. Nach dem Tanken schützt eine Aludeckel auf dem Tank vor Sonneneinstrahlung – die würde Tank und Benzin erwärmen, das sich dann ausdehnen und aus dem Tank-Überlauf austreten würde.
Statt der Aludecke geht natürlich auch ein Regenschirm, der den Tank im Schatten hält…
Warm statt kalt dagegen sollen es die Reifen haben; dafür sorgen elektrische Heizdecken drumherum. So sind die Reifen von den ersten Renn-Metern warm, weich und klebrig und bringen die gut 200 PS maximal auf die Straße.
Startgasse, Startlinie
Rund 30 Minuten vor dem Start geht es vom Startplatz 50 Meter weiter in die Startgasse, also auf die Strecke. Hier stehen dann nur die Teams, die Motorräder, die gleich starten.
Alle zwei Minuten kommt die Lautsprecher-Durchsage, wie viele Minuten es noch sind bis zum Start. Oder, dass sich der Start verzögert. Um 5 Minuten. Oder um 10. Oder auch um eine halbe Stunde.
Was geht da durch den Kopf - kurz vor dem Start?
Der Start der Rennen bei der TT ist anders als bei anderen Rennen: Nicht das gesamte Feld startet, sondern die Fahrer starten einzeln, im 10-Sekunden-Takt. Das minimiert das Unfall-Risiko. Allerdings entzerrt es auch das Feld, spannende Start Kämpfe kurz nach dem Start und Kopf-an-Kopf-Szenen auf der Strecke, womöglich mit mehreren Fahrern, sind auf der TT deswegen eher selten.
Während die einen über den Rennkurs jagen, bereiten sich die nächsten Teams auf ihren Start vor; so startet Klasse um Klasse, Rennen um Rennen.
Der „richtige“ Standpunkt, um das Rennen zu sehen
Da gibt es keine „richtige“ Antwort. Wissen muss man zunächst: 1. Der Kurs ist 60 Kilometer lang, da gibt es hunderte von Zuschauer-Positionen. Und das Feld ist weitauseinandergezogen; meistens kommt immer nur ein Fahrer vorbei, manchmal auch zwei kurz hintereinader. 2. Wenn du dich für einen Standpunkt enschieden hast, kannst du den während des Rennens nicht wechseln – weil die Straßen gesperrt sind, du kannst nicht einmal die Straßenseite wechseln. (Wer dagegen verstößt, so meine Infos, muss 2000 Pfund Strafe zahlen und muss sofort die Insel verlassen. 3. Was willst du sehen – und hören? Full speed? Dann bist du auf den langen Geraden richtig. Aber das sieht dann so aus:
Okay. Ein Rennfahrer. Nicht so der Hit. Schon gar nicht, wenn man weiß, dass der Junge hier knapp 300 fährt. Das kommt überhaupt nicht rüber.
Okay. Was ist mit einem Video? Hier:
Ja, schön laut. Aber das will ich keine zwei Stunden sehen. Und hören. Deswegen: Entweder Quarterbridge mit der 90 Grad Kurve.
Oder nach Ballaugh Bridge.
Ballaugh Bridge
Völlig unscheinbar, diese „Höhe“. Aber alles eine Frage der Geschwindigkeit. Deswegen ist in Ballaugh Bridge immer ordentlich was los.
Rund 200 Fans waren gestern da, auf beiden Seiten der Straße. Wieder Sonne und blauer Himmel – ein enstpanntes Biker-Happening. Über Lautsprecher die Kommentatoren vom Start in Douglas, 30 Kilometer entfernt. Also werden die Bikes in ca. 10 Minuten hier sein.
Dann, noch entfernt, ein wildes Brummen. Alles an die Handys...
Hier "meine" Fotos:
Und hier als Video.
Und dann noch...
Thema „Ohrenschützer“. Ich habe es gestern so gemacht, wie
dieser Zuschauer: Ohrenschützer auf, wenn ich dicht an Strecke
stehe.
Dann spricht mich ein Engländer an: „Du bist das erste Mal
hier?“ – „Ja“. Er. „Setz diese Dinger ab. Sonst wirst du die TT
nie richtig erleben.“ Ich: „Aber dann bin ich taub.“ Er:
„Quatsch. Okay, die ersten fünf Bikes, die an die
vorbeikreischen sind schon hart. Aber ab dann stört es dich
nicht mehr.“
Sind schon harte Kerle – die Nachfahren der Kelten…
Höhepunt des Motorradbau-Größenwahns in den 80ern: Honda CBX mit einem 6-Zylinder. (Beneilli hatte mit seiner Sechs-Zylinder-Maschine mit dem „Aufrüsten“ angefangen.). Damals haben wir über das „Monster“ CBX die Nase gerümpft – als ich sie gestern (wieder)gesehen habe: Ist schon ein tolles Motorrad, und dieses Exemplar besonders.
Man lernt nie aus. Nach der Norton Commando in den 70ern hatte ich von Norton nichts mehr gehört. Vorgestern habe ich diese Norton gesehen. Mit einem Wankel-Motor! Hatte ich noch nie von gehört. Aus den 1990ern, gebaut damals vor allem für die Polizei.
BSA 600, aus den 1960er Jahren, Zweizylinder. Die Zylinder hatten schon Doppelzündung – aber nicht permanent. Im Normalbetrieb saß nur auf einer Zündkerze ein Kerzenstecker. Fuhr man ein Rennen, steckte man auch auf die zweite Kerze einen Stecker.
Der Grund für diesen Aufwand: Mehr Leistung im Rennen und trotzdem wenig Verschleiß und wenig Benzinverbrauch im Alltagsbetrieb.
Blechschild auf der Gabel: Zulassung bis 2023. Und Teilnahme an der TT 1977, Isle of Man.
Tschüß - bis zur nächsten Reise!