Eine Seite von Stefan Korol

Alle Jahre wieder

Stefan Korol

 

Rollen-Spiel und Rollen-Streit – alle Jahre wieder:
Warum zu Weihnachten so viele Familienfeiern im Streit enden

Da haben wir die Bescherung. Alle in der Familie haben zugestimmt und zugesagt: Dieses Jahr treffen wir uns zu Weihnachten mal alle wieder zuhause. Wie früher. Und dann, der Tisch ist festlich gedeckt, der Braten duftet lecker, alle freuen sich – kriegen sich Mama und Tochter Claudia in die Haare. Und schon bringen sich auch Tanten, Kinder und Schwiegereltern lautstark ein. Es geht nur um eine Kleinigkeit – wie kann sich die Familie da so drüber streiten? Noch dazu an zu Weihnachten?

Zunächst einmal: Es hat nichts mit Weihnachten zu tun. Sondern mit uns. Und unseren Rollen, die wir im Leben einnehmen und spielen. Und die knallen bei einer Wiedersehensfeier in und mit der Familie aufeinander.

 

Was sind Rollen?

Rollen sind praktisch. Sie erleichtern uns zu handeln, denn in einer Rolle ist die Beziehung zum Gegenüber festgelegt. Zum Beispiel die Eltern-Rolle. Dadurch wissen wir genau, wie wir uns unseren Kindern gegenüber verhalten müssen; wann wir erlauben, verbieten, verhandeln, sprechen, trösten und ignorieren müssen. Na ja – meistens jedenfalls. Gäbe es diese Eltern-Rolle nicht, müssten wir in jeder Situation zunächst unsere Beziehung zu unseren Kindern definieren und könnten dann erst handeln. Wahnsinn! Und ebenso wie die Eltern-Rolle, funktioniert die Kind-Rolle: Wir verhalten uns, machen etwas und können die Reaktion unserer Eltern darauf einigermaßen vorhersehen und, wenn sie erfolgt, akzeptieren. Na ja – meistens jedenfalls…

Rollen sind kompliziert. So einfach die Definition und Funktion von Rollen sich beschreiben und Tipps dazu sich schlau von schlauen Leuten daherreden lassen – so vielschichtig und kompliziert kann es sein, eine Rolle umzusetzen, zu leben. Das liegt vor allem an vier Gründen – und genau die lassen viele Familienfeiern in Streit und Chaos enden.

 

Rollen-Streit: Die Gründe

Darum scheitern wir manchmal an und in unseren Familien-Rollen:

1. Rollen verändern sich. Glücklicherweise. Mit sechs akzeptieren wir alle Entscheidungen unserer Eltern, mit 16 stellen wir einiges davon in Frage und mit 26 möchten wir bitte gar keine Eltern-Entscheidungen mehr. Soweit die Theorie…. Leider können wir in der Praxis SO klar und eindeutig unsere sich ändernde (Kind-)Rolle nicht definieren und können eben nicht klar und eindeutig handeln. Tochter Claudia mag zwar 26 Jahre alt sein – aber sie ist sich unsicher, ob sie dann und damit eine Entscheidung ihrer Mutter ablehnen kann/darf. Und Unsicherheit, Zweifel sind nicht gerade gute Zutaten, um klar und eindeutig zu kommunizieren.

2. Rollen-Änderungen kriegen nicht alle mit. Als Kinder lernen wir, uns nach und nach von unseren Eltern abzunabeln. Wir werden/sind erwachsen. Und so verhalten wir uns auch. Auch gegenüber unseren Eltern. Aber vielleicht denken, fühlen und handeln die noch in ihrer Eltern-Rolle? Weil sie es schön finden oder einfach noch nicht mitbekommen haben, dass die Kinder jetzt erwachsen sind. Deswegen gibt die Mama „ihrer“ Tochter noch immer gute Tipps – und kann gar nicht verstehen, dass sich Claudia so darüber aufregt.

3. Mehrfach-Rollen. EINE Rolle hinzukriegen ist schon nicht einfach. Und jetzt sind wir auch noch selber Eltern – müssen also gegenüber unseren Eltern nicht nur die „Ja-ich-war-mal-Kind“-Rolle spielen, sondern gegenüber unseren Kindern die Eltern-Rolle. Tja – und was ist, wenn unser Papa und Kinders Opa sagt, dass ein Handy für einen Sechsjährigen ja wohl eher ein unpassendes Weihnachtsgeschenk ist? Jetzt muss Claudia lavieren, sie will ja ihren Papa nicht zurückweisen, muss aber für ihren Sohn eine klare Mutter-Rolle spielen…

4. Schwieger-Rollen. Vater und Tochter kennen seit Jahrzehnten ihre Rollen, wissen, wie sie miteinander umgehen, was sie voneinander zu erwarten haben. Ein eingespieltes Team, das deswegen auch diese Handy-Geschenk-Kritik meistern kann. Tja – aber da ist ja noch Paul, Claudias Mann. Der kennt die jahrelangen Rollen und Beziehungen in der Kernfamilie nicht – und lässt den Papa, Opa und natürlich die gesamte Familie wissen, dass das ja wohl kein Thema fürs Weihnachtsessen, sondern eine Sache der Eltern ist. Die Reaktionen: Mama schaut ihre Tochter strafend an („Hast du deinen Mann nicht im Griff...?“), Claudia versucht alle und alles zu besänftigen, Paul fühlt sich von seiner Ehefrau verraten. Und die Weihnachts-Stimmung ist dahin…

 

Das hilft gegen Rollen-Streit

Drei Tipps für ein harmonisches Familien-Weihnachten
(gilt natürlich auch für alle anderen Famlienfeiern...)

1. Du willst einen schönen Weihnachtstag genießen. Das ist dein Ziel. Deswegen hast du dem Treffen zugestimmt, deswegen gehst du hin. Es ist nicht dein Ziel (und vielleicht auch nicht deine Aufgabe…), jemandem zu sagen, was richtig und was falsch ist. Du musst dich nicht positionieren, musst nichts verteidigen, nichts diskutieren oder gar für etwas kämpfen. An diesem Tag, auf dieser Feier, wird über nichts entschieden.

2. Ignoriere alle Rollen. Sieh deine Familie nicht als DEINE Familie. Stell dir stattdessen vor, du bist von einer netten Familie zum Weihnachtstag eingeladen und du siehst alle Menschen hier zum ersten Mal. Du kennst niemanden – und natürlich auch nicht die Geschichten, Beziehungen und Probleme, die hinter dieser Familie und diesen Menschen stecken. Du bist nett, freundlich, willst dich von deiner besten Seite zeigen.

3. Wenn du meinst, dass das schwierig wird – übe vorher. Denk´ dir zum einen Themen, Begebenheiten aus, die du erzählen und damit zur netten und entspannten Stimmung beitragen kannst. Und, falls du „schwierige“ Situationen erwartest: Stell´ dir diese Situationen schon jetzt vor, reagiere spontan darauf, lasse „Dampf ab“. Und dann überlege dir einen Satz, mit dem du, später, in der tatsächlichen Situation, gelassen deeskalierst. Oder vielleicht auch einfach nur nett lächelst. Loslassen. Das kannst und solltest du dir leisten.

 

Schöne Weihnachten!

Stefan Korol